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Camus begann ein Studium der Philosophie an der neu eröffneten Universität von Algier, wo er Freundschaft schloss mit einem jungen Professor, Jean Grenier. 1934, mit 21, d. h. eben volljährig geworden, heiratete er die 19-jährige Simone Hié, die hübsche, aber auch extravagante (und morphinsüchtige) Ex-Verlobte eines Freundes. Simone war zwar gutbürgerlicher Herkunft, doch hatte ihr Vater die Familie verlassen, was mitsamt ihren Extravaganzen ihren Wert auf dem Heiratsmarkt ausreichend minderte, um sie für Camus erreichbar zu machen. Dass sein Onkel und seine Tante diesen Wert sogar für Null erachteten und strikt gegen die Heirat waren, störte Camus wenig, seine Mutter informierte er gar nicht erst.

1935, nach der Bildung der „Volksfront“, eines antifaschistischen Bündnisses der französischen linken und halblinken Parteien (Kommunisten und Sozialisten sowie Radikalsozialisten), wurde er, wie viele andere junge Intellektuelle, Kommunist und auch Mitglied in der Kommunistischen Partei (die in Algerien, obwohl es offiziell Teil Frankreichs war, eine eigene Organisation zu bilden versuchte).

Die Partei setzte ihn ein, um im muslimisch-arabischen Bevölkerungsteil der Stadt antikolonialistische und prokommunistische Propaganda zu betreiben sowie Mitglieder zu werben. Letzteres erwies sich allerdings als fast unmöglich, da der marxistische Atheismus die Moslems abstieß. Immerhin erhielt Camus Einblick in die sozialen und psychologischen Probleme der damals etwa 8 Millionen arabo- und berberophonen „Eingeborenen“. Sie wurde von etwa 800.000 Algerienfranzosen, d. h. den Nachkommen französischer, spanischer und italienischer Einwanderer, sowie der französisierten einheimischen Juden (wobei diese Pieds-noirs keineswegs allesamt wohlhabend waren), beherrscht.

Als im Frühsommer 1936 die Volksfront die Wahlen gewann und in ganz Frankreich neue kulturvermittelnde Einrichtungen geschaffen wurden, um das Bildungsniveau der Werktätigen zu heben, gründete Camus mit anderen Linken in Algier ein Théâtre du travail (dt. „Theater der Arbeit“), wo er ein erstes Stück mitverfasste und einstudierte: Révolte dans les Asturies. Dieses Stück verarbeitete einen Streik spanischer Bergarbeiter von 1934, wurde jedoch vor der Aufführung verboten. Mehr nebenbei, denn er war inzwischen auch Mitglied der Schauspieltruppe von Radio Algier, legte Camus sein Diplôme d'études supérieures mit einer Examensarbeit über die antiken nordafrikanischen Philosophen Plotin und Augustinus ab.

Camus, dem inzwischen die soziale und politische Gleichberechtigung der „Arabes“ am Herzen lag, war empört von diesem Kurswechsel seiner Partei und wollte weiter im alten Sinne agieren. Dafür wurde er mit Parteiausschluss bestraft. Ebenso enttäuscht war er 1937 über das Scheitern eines Gesetzesvorhabens in der Assemblée nationale, wonach zumindest die gebildete und teilweise frankophile autochthone Elite in Algerien das volle französische Bürgerrecht erhalten sollte. Ein weiterer – persönlicher – Schlag war, dass er wegen seiner Tuberkulose nicht zu den Prüfungen (concours) für die Agrégation zugelassen wurde, sich also von einer Einstellung als beamteter Gymnasialprofessor ausgeschlossen sah.

In den Nachkriegsjahren war er zusammen mit Sartre (mit dem ihn kurze Zeit lang auch ein freundschaftliches Verhältnis verband) einer der Vordenker des Existentialismus. Sein bekanntestes philosophisches Werk aus dieser Zeit ist die Essay-Sammlung L’Homme révolté (1947–1951), die ihm neben viel Beifall auch allerlei Polemik eintrug, nicht zuletzt die von Sartre, der ihm den Verrat linker Ideale vorwarf.

Weniger erfolgreich, vielleicht weil zu wenig schwarz-weiß, waren Camus’ politische Stücke dieser Jahre: L’État de siège (1948) oder das im zaristischen Russland spielende Les Justes (1949), das anhand des 1905 von Iwan Kaljajew verübten Attentats auf Großfürst Sergei Alexandrowitsch Romanow die immer wieder aktuelle Problematik der politisch motivierten Attentate behandelt, deren Sinnhaftigkeit Camus in Frage stellt, aber – für die damalige Zeit politisch korrekt – nicht völlig verneint.

Ähnlich wie Sartre, begnügte auch Camus sich nicht mit einer Literatenrolle, sondern versuchte darüber hinaus, journalistisch in die Politik hineinzuwirken als ein humanitärer, gemäßigt linker Pazifist, als der er insbesondere die Unnachgiebigkeit der französischen Kolonialpolitik und die Grausamkeiten der Kolonialtruppen brandmarkte. Seine Zeitschriftenartikel gab er ab 1950 regelmäßig auch in Sammelbänden mit dem Titel Actuelles heraus.

Da er über den Parteien zu stehen bemüht war, geriet er oft zwischen die Fronten. So etwa scheiterten 1956 seine Vermittlungsversuche in den sich langsam zum Krieg entwickelnden Unruhen in Algerien, denn sein Plädoyer für eine bürgerrechtliche Gleichstellung der arabes war den meisten Franzosen viel zu radikal, wogegen seine Vorstellung von einem letztlich doch französischen Algerien für die meisten autochthonen Algerier inzwischen inakzeptabel war.

Sein belletristisches Schaffen war in diesen Jahren weniger intensiv, zumal ihn seine Tuberkulose häufig am Arbeiten hinderte. Immerhin kam 1956 der kurze Roman La Chute heraus und 1957 ein Sammelband von meist in Algerien spielenden Erzählungen, L’Exil et le Royaume.

1957 erhielt Camus den Literaturnobelpreis.